Für mich mag Spiekeroog eine ganz nette Nordseeinsel sein, in meinen Augen ein wenig zu spießig, zu klein, im Sommer zu voll – für meine Jungs ist sie der Himmel auf Erden. Viele Jahre habe ich nicht verstanden, was an dieser Insel so besonders sein soll, mittlerweile weiß ich es: Sie bedeutet Liebe, Familie und Zusammenhalt.
Die Familie meines Freundes fährt seit den 60er Jahren nach Spiekeroog, mittlerweile schon seit vielen Generationen. Der Vater von Johannes ist der Star auf der Insel, weil er – ebenfalls Musiker – seit 1965 dort das legendäre „Dünensingen“ veranstaltet.
Wie der Vater so der Sohn… Ecki & Johannes Strate
Dünensingen auf Spiekeroog
Im Sommer treffen sich mehrere hundert Leute vier mal wöchentlich in dieser einen Düne, gleich hinter der Strandhalle um mit Eckart Strate Volkslieder und Chansons zu singen – Ohne Mikrofon oder jeglichen Schnickschnack. Nur der immer gut gelaunte Ecki steht dort in der Mitte der Düne, mit seinen grauen Locken, den sonnengebräunten Beinen, der alten Gitarre um den Hals und seinem Bollerwagen, in dem er für die Inselgäste die Liedermappen zur Düne zieht.
Jedes Jahr gibt es eine neue Liedermappe mit liebevollen Randnotitzen von Ecki
Bei schlechtem Wetter geht´s in die Sporthalle neben der Düne
Live und in action
Autos gibt es hier nicht, dafür sehr, sehr viele Bollerwagen. Der Bollerwagen ist quasi das Must Have, das It-Piece des Funktionsjackenurlaubers, wie er zu Hauf auf der Insel gastiert.
Ich konnte diese Spezies Mensch viele Jahre nicht ausblenden und hab mich immer gefragt, wie mein Mann und die Anderen in seiner Familie das machen. Im Sommer platzt die Insel fast aus allen Nähten und man entkommt nur schwer dem Trubel dort – Und Trubel kann Johannes überhaupt nicht leiden. Weder im Supermarkt noch auf Veranstaltungen und erst recht nicht im Urlaub – Nur eben hier auf dieser Insel, da stört es ihn nicht – Da stört ihn gar nichts!
Egal bei welchem Wetter, es geht immer anden Strand
Natur pur!
Looos! Die Sonne kommt raus – Ab zum Strand!
Er springt bei jedem Wetter supergut gelaunt in die für mich viel zu kalten Wellen, er liebt den rauen Wind, das Klima – während ich zähneklappernd und knirschend daneben stehe. Er mag die Spaziergänge hoch zu der runtergekommenen Bretterbude Old Laramie, in der es den wohl besten Käsekuchen geben soll. Immer wenn wir dort sind – meist durchnäßt, weil wir mal wieder in einen Schauer geraten sind – ist er schon aus und ehrlich gesagt mag ich Käsekuchen auch gar nicht so gern…
Mit dieser Einstellung bin ich die ersten Jahre auf die Insel gefahren. Ich war geknickt, wenn mein Bikiniurluab mal wieder buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Mir war dieser Familienauflauf oft zu viel und zu ungewohnt und singen kann ich ohnehin nicht…
Seitdem wir die kleine #Hasennase haben, fahren wir wieder jeden Sommer auf die Insel und ich hab mir damals vorgenommen, Spiekeroog und mir eine zweite Chance zu geben. Schließlich ist der von Emil heiß geliebte Opa den ganzen Sommer über hier. Dazu Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, die auch dieses Gefühl und den Spirit der Insel seit kleinauf kennen oder vor sehr vielen Jahren eingeheiratet wurden und einfach schon viel früher als ich verstanden haben, was es mit Spiekeroog auf sich hat.
Für die kleine #Hasennase ist Spiekeroog der Himmel auf Erden
Ich habe erst in den letzten Jahre kapiert, dass dieser Urlaub bedeutet zusammenzurücken, auf kleinem Raum in rosa Rauhfasertapete aus den 80ern zu leben, back to basic!
Er bedeutet aber eben auch Zeit mit der Familie zu verbringen, nicht in Restaurants zu gehen, sondern selbst zu kochen um dann abends mit vielen Leuten am Tisch zu sitzen, bei Rotwein, selbstgemachter Bolo und endlos kreisendem Rumtöpfchen – ohne W-Lan, Foodora oder Netflix.
Es geht ums Wesentliche, ums Eigentliche: Die Familie.
Die schönsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe, gibt es auf Spiekeroog
Die Kinder lachen laut und rennen durch das Haus, in dem wir alle jedes Jahr in kleinen Wohnungen nebeneinander im ersten Stock wohnen, die Türen stehen immer offen und ständig sitzt jemand anderes mit am Frühstückstisch oder man geht eben rüber und setzt sich an einen anderen Tisch, denn hier gibt es immer genug von Allem.
Home cooking – Jeden Abend kocht jemand anderes
Sundowner am Strand geht auch hier sehr gut mittlerweile
Ich kannte bis dato dieses Gefühl von der Großfamilie nicht, und in meinen Vorstellungen war es so ziemlich das Schlimmste, auf so engem Raum mit so vielen Menschen tagelang zusammen zu sein. Sicher musste ich mich im Laufe der Jahre erst einmal an diesen wilden, lauten und so liebevollen Haufen gewöhnen, aber heute bin ich unendlich dankbar für all diese so fröhlichen, inspirierenden und tollen Menschen, die jetzt auch meine Familie sind. Und wenn ich mein Kind (und meinen Freund, der auch wieder ein Kind ist) dort so unendlich glücklich sehe, weil alle zusammen sind, so unbeschwert, dann könnte ich fast platzen vor Glück!
Emil: „Können wir für immer hier bleiben..?“
Durch Emils Augen ist die Insel das Paradies
Keine Autos, nur Natur. Muscheln am Strand sammeln, Krebse im Watt beobachten (und im besten Fall auch dort lassen, ohne dass man sie danach in irgendeiner Strandtasche wiederfindet), Stöcke im Wald sammeln, hinten im Bollerwagen sitzen während Opa vorne auf dem Rad strampelt, Pizza am Abend in der Strandhalle – alle zusammen, immer: Beim Frühstück, Mittag- und auch Abendessen, gemeinsame Schlafenszeiten, jeden Morgen kuscheln im Bett und dann im Schlafanzug zu Opa tapsen, der bereits Müsli hingestellt hat und mit einem Buch auf seinen Enkel wartet.
Ein neuer blauer Morgen wartet – ab nach Draußen!
„Opaaaa, wo bleibst duuuu?“Opa Ecki tritt in die Pedale und Emil ist hinten im Bollerwagen im Glück
Während ich diese Zeilen schreibe rührt es mich wieder so sehr, dass mir fast die Tränen kommen. Diese Tage sind für mich mittlerweile der Inbegriff von Demut und Dankbarkeit, denn man merkt nirgendwo anders die Vergänglichkeit so sehr wie hier. Man möchte die Momente hier festhalten und sammeln wie Muscheln und sie in eine Kiste legen und für immer dort aufbewahren…
Danke an Dich Du tolles Leben und bis zum nächsten Sommer, Spiekeroog!
♥️
So sieht das aus wenn das Dünensingen fortgeführt wird
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9 Kommentare
Anna,
sogar beim Lesen und nur daran denken bekomme ich schon Gänsehaut.
Traumhaft schön, wie du immer genau die richtigen Worte findest.
Meine Familie hat auch ihre „Insel to be“ und seit mittlerweile 16 Jahren machen wir jedes Jahr, zur gleichen Zeit, mit den gleichen Leuten (damals waren es Freunde, heute ist es Familie, die nicht mehr wegzudenken ist) unseren Urlaub.
Wir könnten gar nicht mehr ohne…und deswegen berühren mich deine Zeilen so sehr!
Das was du sagst, die Anderen so glücklich zu sehen … erst das, macht einen selber vollkommen glücklich.
Genießt die Zeit in der Schweiz & habt es schön.
Deine Emilie.
Oh man Anna, das hast du so schön geschrieben. Wenn du so bin der Familie schwärmst bekomme ich richtig Gänsehaut. Es hört sich sehr idyllisch an. Es ist immer schön bei dir von positiven Dingen im Leben zu lesen und zaubert mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Vielen Dank!
Liebe Anna,
so ein toller Artikel. Da bekomme ich sofort Lust auf Strand und Meer. 🙂 Vielen Dank für deine immer so schönen Worte.
Alles Liebe von Sandra
Liebe Anna, vielleicht liegt es auch daran, dass man euch in Ruhe euren Urlaub genießen lässt. Euch niemand mit Autogrammwünschen nervt, weil jeder respektiert das dies eure Familieninsel ist. Und so richtig überlaufen ist sie ja auch nur an der Hauptstrecke, wenn eine Fähre mit Tagesgästen anlegt. Wir lieben sie auch jedes Jahr aufs Neue und haben schon Sehnsucht aufs nächste Mal, wenn wir auf der Fähre nach Hause sind. LG
Liebe Anna, dein Artikel rührt mich zu Tränen und das nicht nur, wegen deiner Verbindung zur Insel, nein sondern auch wegen meiner!
Für meinen Stiefpapa war die Insel ein Zuhause, ein Zufluchtsort aus der schnellen, hektischen Welt für eine Weile entfliehen, Stunden konnte er am Strand laufen, ganz egal bei welchem Wetter.
Immer stand er draußen auf der Fähre, auf dem Weg zur Insel. Rauchte seine Zigarette und war verloren in der Ruhe und Stille.
Anfangs habe auch ich nicht verstanden, wieso es gerade Spiekeroog für ihn und dann auch für meine Mama geworden ist. Aber umso mehr Urlaube und Kurztripps wir nach Spiekeroog gemacht haben, bekam ich langsam eine Idee – warum!
Die langen Pokerabende mit meinen Stiefgeschwistern in der Ferienwohnung, die Abende am Strand oder aber der Spaziergang zur Windmühle, ganz im Osten, die immer begleitet wurden von so tollen Gesprächen – ohne Handy.
Man konzentrierte sich auf sich, auf die Familie und wir alle genossen die Zeit sehr!
Letztes Jahr im Sommer- durfte er das letzte mal auf seine so geliebte Insel – Spiekeroog.
Ich hoffe er sitzt jetzt ebenfalls am Strand und genießt auch weiterhin seine Insel! Trinkt ein Glas Rotwein und lässt die Sorgen sorgen sein….
Danke für diese liebevolle Erinnerung, die du in mir geweckt hast ❤️❤️
Alles Liebe, Karina
Liebe Karina,
Danke dass Du diese schönene Erinenrungen an Deinen Stiefpapa mit mir teilst. Nächste Jahr stoße ich dort bei einem Glas Rotwei nauf euch an
♥️
Wow, was ein toller Ort – da hatte ich doch direkt Tränen in den Augen! Ich liebe Spiekeroog, ich könnte theoretisch jedes WE mit der Fähre rüber – wenn denn die Zeit dafür da wäre. Spiekeroog ist wunderschön, ich verstehe Johannes und Emil da vollkommen, dort hat man eine Auszeit, eine wirkliche Auszeit, man ist nur mit sich und den Leuten, die einem wichtig sind. Familie ist etwas ganz Besonderes und ganz wichtig und der Mittelpunkt in (fast) jedermanns Leben. Ich könnte nicht ohne meine wundervolle Familie! Und deswegen hat der Artikel mein Herz berührt. Vielen Dank liebe Anna für die Worte!
Liebe Anna,
ich lese deinen Post nun bestimmt zum zehnten Mal und ich bekomme jedes Mal aufs Neue pure Gänsehaut.
Da komme ich nicht drumherum auch von meinem ganz persönlichen Zufluchtsort zu erzählen. Thunpadel. Mag komisch klingen, ist aber wunderschön! Die Großeltern meines Freundes bauten dort ein Haus vor was-weiß-ich wie vielen Jahren, um regelmäßig dem Großstadtdschungel Berlin zu entfliehen und vor gut einem Jahr konnte auch ich endlich herausfinden, was dieser Ort verbirgt. Es ist sehr alt, aber gemütlich und auch wenn wir dort meistens mit der kompletten Familie ganze Wochenenden verbringen und eigentlich auch nur 2,5h dort hin fahren, fühlt es sich seit der ersten Sekunde so an, als wäre ich ganz weit weg. Ich, als altes Dorfkind, genieße sowieso die Ruhe und Einsamkeit im Nirgendwo, aber Thunpadel, ist in meinen Augen noch viel weiter weg als „nirgendwo“, daher ist es jedes Mal besonders schön. Dann genieße ich es einfach, keinen Empfang zu haben und Bluff oder Memorie zu spielen. Thunpadel ist mein Urlaub, mein Zufluchtsort und der Platz wo nur die Familie und die pure Liebe zueinander zählt, auch wenn man nur zwei Tage dort ist.
Und gerade jetzt wo das älteste Mitglied, der Opa meiner besseren Hälfte, von uns gegangen ist, bedeutet mir dieses Fleckchen Erde noch viel viel mehr…
Danke für deinen ehrlichen Einblick. ♥️
Hallo Anna,
ich bin gerade zufällig auf diesen Text und Deinen Blog gestoßen. Mir kamen auch die Tränchen bei denen tollen Worten, denn ich kann dieses Gefühl von Familie und Freundschaft so gut nachempfinden. Verstehe aber auch deine anfängliche Skepsis, da es mich als Einzelkind mit einem zwar immer großen Freundeskreis, in eine polnisch-deutsche Großfamilie verschlagen hat, in der viel und oft gemeinsam gefeiert, gelebt und auch geholfen wird. Ja und inzwischen könnte ich es mir ohne sie nicht mehr vorstellen und freue mich auf die Zukunft, wenn so langsam die nächste Generation im Anmarsch ist und die Familie noch größer, lauter, bunter und intensiver wird. 🙂 Auch ich kenne einige dieser Spiekerooger, die seit praktisch immer hinfahren und es so sehr lieben und von denen wusste ich auch, dass Johannes immer wieder dort ist, aber ich wusste nicht, dass auch er so verwurzelt ist dort. Das Insefeeling konnte ich aber schon immer absolut nachvollziehen, denn ich habe alle meine Ferien auf einer kleinen Insel in Norwegen verbracht, dort gibt es nur knapp 100 Einwohner, ebenfalls keine Autos usw. Inzwischen leben meine Eltern auch ganzjährig dort. Heimat ist diese Insel für mich aber schon immer gewesen! 🙂
Liebe Grüße und auf viele weitere wunderschöne Inselsommer,
Céline